Drei Monate bis zum Start

The Race before the Race

Es ist bereits eine Leistung, mit dem fertig aufgebauten Bike rechtzeitig und ohne krank geworden zu sein an der Startlinie des Atlas Mountain Race in Marrakesch zu stehen. Selbst-verständlich ist es jedenfalls  nicht. Die Startlinie ist nicht der Beginn des Rennens. Sondern eher so etwas wie das Basislager einer Achttausender-Expedition: Das Basislager ist tatsächlich der offizielle Startpunkt der Unternehmung, die hat aber in Wirklichkeit schon Monate vorher begonnen...

Packliste, Bikepacking, Atlas Mountain Race

Startplatzbewerbung


Der initiale Startschuss für das Atlas Mountain Race und auch zahlreiche andere begehrte Gravel-Veranstaltungen war die Bewerbung um einen Startplatz. Geschwindigkeit spielte damals noch keine Rolle – aber bereits bei der Bewerbung kam es darauf an, die richtigen Entscheidungen zu treffen: Vor dem Ausfüllen des Fragebogens solltest du auf jeden Fall schon die wichtigsten Details aus dem Race Manual mit seinen 39 Seiten verinnerlicht haben. Es geht dabei erst einmal gar nicht um Sport. Sondern um Fragen, die schnell entlarven, ob ein Bewerber Erfahrung mit Outdoor-Abenteuern, kritischen Situationen und Krisenbewältigung hat. Eine Karte lesen kann. Routen richtig einschätzen kann. Sich selbst helfen kann, was auch immer an Problemen auftaucht.


Ein einziges Ausrufezeichen, dieses Manual, dass dies keine sorgsam abgesicherte Kaffeefahrt von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation werden würde. Sondern ein Rennen ohne jede Unterstützung. In alpinem Gelände und in weit von jeder Hilfe entfernten Wüstengebieten. Mitten im Winter, Anfang Februar. Also mit langen Dunkelphasen, sehr kalten Nächten und Tagen, an denen die Sonne so vom Himmel knallt, wie das in einer nordafrikanischen Steinwüste in unmittelbarer Nähe zur Sahara eben der Fall ist.


In einem Entwicklungsland, in dem trinkbares Wasser alles andere ist als eine Selbstverständlichkeit. In dem es keine Kühlkette gibt und Lebensmittel mit Vorsicht zu genießen sind für verwöhnte europäische Mägen. Fleisch, Fisch, rohes Obst, Gemüse: Entweder du bist früh genug da, um dir ein paar Tage Magenverstimmung und Durchfall zu leisten, damit sich deine Verdauung an das lokale Mikrobiom gewöhnen kann. Falls nicht, ist höchste Vorsicht geboten, auch beim Duschen. Ein Großteil der Ausfälle während des Rennens kommt von Erkrankungen aller Art.


Am 5. November 2024 bekam ich die Zusage für einen Startplatz Anfang Februar. Verbunden mit dem freundlichen Hinweis, umgehend das Startgeld von 375 englischen Pfund zu überweisen, es gäbe ein gewisses Gerangel um die freien Plätze.


Es ging also tatsächlich los. Fuck! Worauf hatte ich mich nur eingelassen!

Ärztliches Attest 

Ärztliche Tauglichkeitsbescheinigung am Start, die nicht älter ist als ein Jahr? Nein? Dann auf geht’s, erst mal einen Termin beim Kardiologen machen! Mein Hausarzt hatte sich nämlich überschallschnell in einen Oberbedenkenträger verwandelt, als ich ihm von meinem Vorhaben erzählte (vom Tuscany Trail mit vergleichsweise harmlosen 465 Kilometern und nicht einmal vom Atlas Mountain Race) und um eine entsprechende Bestätigung bat. Die könne er mir nicht geben, er könne das nicht verantworten, am Ende kippte ich noch mit plötzlichem Herztod vom Bike und er werde dafür verantwortlich gemacht.


Dafür brauche es eine umfassende sportmedizinische Fachuntersuchung, Leistungs-EKG inklusive. Hab ich dann alles gemacht. Hat mich mehrere Arzttermine und rund 400 Euro gekostet (die Krankenkasse übernimmt das zwar normalerweise - aber wenn du eine Selbstbeteiligung für ambulaten Termine im Tarif hast und noch keine Termine hattest - eben weil du gesund bist, zahlst du eben). Immerhin weiß ich jetzt, dass alle Arterien frei sind beim oidn Sack und keine meiner Herzklappen oder -Kammern Anzeichen von Verkalkung zeigt.


Wie erwähnt, hatte ich das Arzt-Gespräch und die Untersuchungen bereits Anfang 2024, denn auch für die Teilnahme am Tuscany Trail war eine ärtzliche Tauglichkeitsbescheinigung obligatorisch. So ein Attest bleibt ein Jahr lang gültig - erst danach muss es aktualisiert werden. Ich hab die Bescheinigung dann auf das Anmeldeportal des AMR hochgeladen (außerhalb Deutschlands geht man mit Gesundheitsdaten deutlich entspannter um als hierzulande).

Sportgepäck Fahrrad

Mit dem Rad Fliegen ist ein Thema für sich. Sperrgepäck ist kein Sportgepäck. Dieses Foto von meinem Pakgo X Radtransportkoffer stammt noch von Badlands 2022: Damals habe ich mein Hardtail MTB auf Dropbar umgebaut. Ein 29er MTB passt noch gerade so in den Koffer - mit ein bisschen Getrickse.

Mit dem Fahrrad ins Flugzeug


Leider war ich nicht klug genug, direkt bei Zusage des Startplatzes einen Direktflug MUC-RAK zu buchen. Ich habe das erst eine Woche später versucht. Zwar gab es von München aus noch einen Direktflug-Sitzplatz nach Marrakesch. Aber keinen Transportplatz für mein Rad mehr.


Fahrräder solltest du im Flugzeug idealerweise in einem Hardcase transportieren. Softboxen gehen zwar auch und sind sehr beliebt, weil sie sich zuhause klein zusammenlegen und halbwegs raumsparend lagern lassen. Aber die Gefahr einer Transportbeschädigung ist bei einem Softcase ungleich größer. Einige Tage nach der Flugbuchung kam eine E-Mail, ich möge mich doch bitte umgehend mit der Fluggesellschaft in Verbindung setzen, es gäbe Probleme mit meinem Gepäck. Ich musste dann lernen, dass Sperrgepäck und Sportgepäck nicht das Gleiche sind: Zwar haben beide Varianten identische Außenmaße und Gewichtslimits, und sie werden beim Checkin auch am gleichen Sonderschalter eingecheckt – aber Sportgepäck wird anders gebucht als Sperrgepäck, es lässt sich auch nicht zusammen mit dem Sitzplatz buchen (Sperrgepäck schon), du musst dafür auf eine separate Buchungsseite, die rückbestätigte Buchungsnummer für Deinen Sitzplatz aber bereits kennen. Wieso einfach, wenn es auch kompliziert geht!


In meinem Fall waren die fünf Sportgepäckplätze in der gebuchten Maschine alle vergeben. Nur nicht an mich. Ich habe mich dann gewundert, dass so viele süddeutsche Starter einen Platz beim Atlas Mountain Race bekommen und offenbar alle den gleichen Flug gebucht hatten. Später stellte sich dann heraus, dass auch einige Starter aus Österreich von München aus flogen. Pech gehabt!

Gabelflug und Angst vor Gepäckverlust


Ende vom Lied war, dass ich umbuchen musste, auf einen Gabelflug von München über Frankfurt nach Marrakesch. Mit einer anderen Fluggesellschaft (Discover Airlines statt Lunfthansa). Für weitere 70 Euro zusätzlich. Direktflüge gab es nirgends mehr, auch nicht an den Tagen vorher. Der Umweg von München über Frankfurt ist auf die gesamte Distanz betrachtet zwar gar nicht so tragisch (auch wenn sich die Reisezeit insgesamt deutlich verlängert).


Aber die ganzen Horrorgeschichten von Personalmangel an den Flughäfen und deswegen gestiegenen Fehlerquoten beim Durchchecken von Gepäck eigneten sich überhaupt nicht, um meine Vorfreude zu steigern: Würde wahlweise meine Reisetasche mit dem Bikepacking-Equipment nicht rechtzeitig in Marokko ankommen oder der Fahrradkoffer, würde ich zwar in Marrakesch sitzen - aber trotzdem nicht starten können.


Da der Gabelflug zudem einen Tag später ging als ursprünglich geplant, fehlte mir nun auch jeder Zeitpuffer, um ein fehlgeleitetes Gepäckstück einfach abzuwarten. Gerne wäre ich einen Tag vorher geflogen, um in Ruhe mein Bike aufbauen, durchchecken und probefahren zu können, Verpflegung und Wasser einzukaufen und wenigstens einmal durch die Medina von Marrakesch zu schlendern. Satz mit X, war wohl nix.


Ich hab dann mal Perplexity befragt, wie denn so aktuell die Statistiken seien mit verlorenem Gepäck. Hätte ich nicht machen sollen: Der häufigste Grund für Gepäckprobleme, antwortete die KI-Suchmaschine umgehend, seien Fehler beim Umladen, die 46% aller Fälle ausmachten. Arrgh! Frankfurt sei außerdem aufgrund seiner Größe und der Komplexität der Abläufe fehleranfälliger als andere Flughäfen und weltweit auf Platz 8 der meisten Umladepannen. Na super! Die Wahrscheinlichkeit läge bei etwa 1% oder 10,6 Gepäckstücken pro 1.000 Passagieren, dass mein Gepäck verloren, beschädigt oder verspätet zugestellt würde. Und ich hatte ja zwei davon, die Tasche mit der Ausrüstung und das Sportgepäck mit dem Rad.


Das Wesen des Abenteuers besteht bekanntlich darin, dass es schief gehen kann. Und es hatte bereits begonnen. Ich begann die Starter zu beneiden, die die Muße und Zeit hatten, auf dem Landweg anzureisen, teilweise sogar mit dem Rad.

Air Tags sind besser als nichts – aber auch nicht das Gelbe vom Ei


Ein Freund riet mir, in die Gepäckstücke unbedingt Air Tags zu legen, um im Falle eines Verlusts sofort den Standort orten zu können. Ich habe dann sechs solcher Tags bestellt – und erneut was gelernt. Allerdings ein bisschen spät, da war ich schon nahe am Herzkasper. Wie die Ortung mit einem Air Tag eigentlich technisch funktioniert, wusste ich bei Abflug nämlich noch nicht. Wäre aber sinnvoll gewesen, denn es ist leicht möglich, dass die Air Tags ihre Aufgabe gar nicht erfüllen können. Und das solltest du vorher wissen. Nach der Landung in Frankfurt zeigte mir mein iPhone zwar die Position der Reisetasche in unmittelbarer Nähe am Frankfurter Terminal an. Verortete das Sportgepäck mit dem Fahrrad aber immer noch in München. War das Bike etwa gar nicht mitgeflogen? Ungetrübte Vorfreude geht anders.


Air Tags brauchen zur Ortung mindestens ein iPhone mit eingeschaltetem Bluetooth in Reichweite. Sie nehmen dann Kontakt zu diesem iPhone auf und senden den Standort des gewünschten Tags anonym über die Fremdgeräte in der Nähe weiter. Ist jedoch kein iPhone mit eingeschaltetem Bluetooth in Reichweite oder der Tag z.B. durch dicke Wände für das Bluetooth-Signal abgeschirmt (an einem Flughafen ist es relativ wahrscheinlich, dass kein Gerät in der Nähe ist, weil viele Geräte auf Flugmodus geschaltet werden), dann zeigt das iPhone den letzten bekannten Standort des Air Tags so lange an, bis wieder ein Gerät in Empfangsnähe ist und eine Aktualisierung erfolgen kann. Die letzte bekannte Position des Sportgepäcks war das Rollfeld vor dem Terminal in München.


Ich bin dann in Frankfurt beim Umsteigen an den Schalter der Fluggesellschaft und habe mit durchaus nervösem Unterton nach meiner Gepäckstück-Nummer auf der Bordkarte gefragt. Alles ok, sagte man mir, das Sportgepäck sei durchgecheckt und kein Problem bekannt. Orten könne man es aber nicht. Keep cool, Digger!


Ich bin dann nur so halb beruhigt von Frankfurt nach Marrakesch geflogen und habe gehofft. Nun: Es ging alles gut. Nur einen kompletten Tag hatte ich verloren durch das Hickhack mit dem Radtransport. Und gefühlt zehn Jahre meines Lebens durch die Aufregung.

Influenza und andere Virus-Infektionskrankheiten


Ein Radrennen Anfang Februar ist alleine schon deswegen ein Vabanque-Spiel, weil es mitten in der Grippesaison liegt. Oder in der Keuchhusten-Saison (München meldete eine steigende Zahl von Keuchhusten-Infektionen). Oder in der Corona-Saison (München meldete zwar keine steigenden Infektionszahlen von Corona. Das lag aber nicht daran, dass das Virus nicht da war. Sondern daran, dass kaum noch jemand Tests macht und positive Test so gut wie nicht mehr statistisch erfasst werden). Aber die Virenkonzentrationen aller drei Virentypen wurden im Grundwasser gemessen. Juhuu!


Alle Werte waren im Laufe des Januar gestiegen, und es gab sogar Presseartikel über grassierende Keuchhusten-Infektionen in München. Nicht, dass mich das normalerweise groß beunruhigt hätte. Aber außenrum waren wirklich alle krank oder erkältet. In der U-Bahn. In der Firma. In der Familie, meine beiden Jungs. In deren Schule ging eine echte Grippe um. Und dann gibt es ja auch noch die 500 Arten verschiedener Rhinoviren, die dich zwar nicht so drastisch aufs Kreuz legen wie Corona- oder Influenzaviren. Die aber genauso dafür sorgen, dass du einige Wochen nicht mehr richtig trainieren kannst und Form verlierst.

Rennvorbereitung und Wintertraining


Im Winter für ein Unsupported Ultracycling Race zu trainieren, ist etwas vollkommen anderes als während der Radsaison. Vor allem dann, wenn du kein Profi bist und nicht einfach irgendwohin fliegen kannst, wo es gerade angenehm warm und sonnig ist. Wenn du außerdem eine fordernde Arbeit hast und Familie - also mit ständigen Einschränkungen umgehen musst, weil nun einmal niemand Rücksicht nimmt auf deine sportlichen Eskapaden.


Der frühere Freeclimber, Bergführer und Yosemite-Pionier Hans Martin "Pater" Götz hat einmal gesagt, um Außergewöhnliches zu leisten, ganz gleich in welcher Disziplin, brauche es immer eine gehörige Portion Egoismus. Wir kamen ins Gespräch, weil wir häufiger in seinen Guest Houses in Arco waren, um in den großartigen Sportkletterrouten rund um den Gardasee abzuhängen. Und sprachen darüber, dass wir unsere Urlaube überwiegend am Meer verbrächten und nicht in den Bergen, weil das besser für die Kinder sei. Das hätte es bei ihm nicht gegeben, sagte Hans Martin, Berge seien für die Familie stets undiskutierbar gesetzt gewesen.


Weil Radtraining ähnlich viel Zeit erfordert wie das Klettern, wird optimales Training irgendwann unmöglich in Lebensphasen mit Familie und anspruchsvollem Job. Dann bist du froh, wenn du dir gegen alle äußeren Widerstände acht bis zwölf Stunden pro Woche freikämpfen kannst - meist am Abend, denn ich gehöre nicht zu den Menschen, deren Organismus um fünf Uhr in der Frühe schon zu körperlichen Höchstleistungen imstande ist. Das ist die untere Kante an Volumen für ein Vorhaben wie das Atlas Mountain Race. Das Training rechnete sich drei Monate rückwärts vom Starttermin Anfang Februar. Es fiel also zeitlich ziemlich genau zusammen mit der Zusage für einen Startplatz Anfang November.

 

Ende September hatte ich in Istrien mein letztes Jedermann-Radrennen der Saison absolviert, die Mitteldistanz der ISTRIA300 bei wundervollen spätsommerlichen Bedingungen. Und meinem Körper danach ein paar Wochen Ruhe gegönnt – bis es Anfang November mit der Startplatz-Zusage wieder voll losging.

Wie trainiert man ein Ultracycling-Event?


Im Winter FTP-Werte und VO2max steigern zu wollen, erschien mir nicht sonderlich sinnvoll - und auch gar nicht möglich. Das Atlas Mountain Race würde ohnehin auf extrem lange Zeiten im Sattel hinauslaufen, bei eher moderater Belastung stets innerhalb der aeroben Komfortzonen (das eine bedingt das andere, denn zu hohe Belastung hätte sehr lange Zeiten im Sattel ausgeschlossen).


Ich beschloss, vor allem Zone-2-Training zu machen (was auch ohne Rennvorbereitung immer sinnvoll ist als Wintertraining), längere Einheiten einzubauen und einmal pro Woche ein paar Sprints und Intervalle zu ergänzen. Außerdem Krafttraining für Rumpfstabilität und Dehnübungen. Letztlich die Form eher langsam aber konstant auszubaue  bis Anfang Februar, wie das mit acht bis zwölf Stunden Training pro Woche eben möglich ist – nicht optimal aber auch nicht nichts.


Schlafentzug lässt sich übrigens ebenso wenig trainieren wie überlange Sessions auf dem Rad. Schlafmangel schwächt einfach nur und bringt dich gehörig aus dem Takt. Zumindest in meinem Alter ist das so. Außerdem wirst du durch Schlafmangel anfälliger für Infektionen, abgesehen davon, dass ich Konzentrationsprobleme im Job überhaupt nicht brauchen kann. Mein Ziel bestand aber auch gar nicht darin, irgendwie vorne an der Spitze des Rennens mitmischen zu wollen.


Ich hatte vor, das Rennen, auf keinen Fall zu schnell zu beginnen und die jungen Heißdüsen alle ziehen zu lassen. Anstiege (das erste Drittel des AMR ist mit Abstand das schwerste) wollte ich langsam aber konstant fahren, keine allzu großen Risiken eingehen, möglichst viele Stunden im Sattel bleiben und ansonsten vor allem auf die Cutoff-Zeiten an den Checkpoints achten und meine Pace flexibel daran orientieren.


Außerdem wollte ich auf meinen Körper hören und Schlafpausen so einlegen wie der Zustand es eben verlangte. Ich kann sehr gut powernappen (das funktioniert tatsächlich, eine Viertelstunde Powernap wirkt echte Wunder). Ich habe aber wenig Erfahrung damit, was passiert, wenn sich Schlafmangel bei sehr hoher körperlicher Belastung über mehr als vier Tage summiert (Badlands habe ich in vier Tagen gefinisht – da reichten 3-6 Stunden Schlaf in den drei Nächten des Rennens, was gemessen an der komplett schlaflosen Spitze auch schon totaler Luxus ist. Badlands bin ich im Pair gefahren, da sind Powernaps kaum möglich).

Der Winter ist immer die mieseste Vorbereitungszeit

Echter Schwachpunkt meines Trainings war die Jahreszeit. Mein Körper geht im Winter in einen regelrechten Winterschlaf. Ich spüre das. Der gesamte Biorhythmus ist langsamer, weniger leistungsbereit. Ich kann mich schwerer für körperliche Leistung motivieren, brauche mehr Schlaf, die Form ist weit entfernt vom Leistungsniveau im Sommer.


Draußen zu trainieren erfordert im Winter oft Überwindung – obwohl ich eigentlich sehr gerne draußen fahre und auch vor schlechten Bedingungen nicht zurückschrecke (Training in eiskalter Luft bedeutet übrigens kein erhöhtes Erkältungsrisiko, sondern ist ganz im Gegenteil super fürs Immunsystem!). Der entscheidende Unterschied ist vor allem die Taktung: Während ich im Sommer problemlos an fünf oder sechs Tagen der Woche trainieren kann und überhaupt keine Motivationsprobleme habe, muss ich mich im Winter bereits aufraffen, um mehr als dreimal pro Woche zu trainieren. Der Körper braucht einfach länger, um sich zu erholen und ist weniger leistungsbereit.


Ich habe dann überwiegend im Keller auf meinem Rollentrainer gesessen. Mein Kickr-Bike habe ich vom ersten Tag an geliebt, und es ist im Winter eine echte Alternative zum Fahren in Dunkelheit und Kälte. Auf dem Rollentrainer lässt es sich zudem sehr strukturiert und kontrolliert trainieren, du musst keine Angst vor dem Verkehr haben oder schlicht übersehen zu werden, und kannst nebenbei auch noch Podcasts hören oder Filme gucken (was ich tatsächlich meistens nicht tue, weil Radfahren für mich Mediation ist, ich gönne meinem Geist dann ein paar Stunden Erholung ohne weitere Betankung mit Daten). Zwift und Strava sind meine steten Begleiter im Winter.

Aufs Bikefitting verzichtet -
ein fundamentaler Schnitzer!


Außerdem war mein Racebike bis weit in den Januar schlicht nicht fertig, also konnte ich es auch nicht draußen testen. Es fehlten noch etliche Teile. Besonders Details wie das Cockpit und den Aero-Lenker hatte ich noch nicht zufriedenstellend gelöst. Ich wollte unbedingt noch einen Federgabelservice machen, um sicher zu gehen, dass die Vordergabel perfekt arbeitete. Der musste fertig sein, bevor ich die Verkabelung beginnen konnte. Die Verkabelung des Nabendynamos war nicht trivial, sie sollte ja extremen Bedingungen gewachsen sein.


Angestrengt dachte ich darüber nach, wie und wo am Rad ich die Kabel verlässlich umstecken oder umschalten konnte zwischen Beleuchtung und Ladefunktion für die Powerbank (beides zusammen packt ein Nabendynamo nicht, er liefert dafür zu wenig Leistung, vor allem bei langsamen Geschwindigkeiten). Zur Technik komme ich aber noch ausführlich an anderer Stelle.

Letzten Endes hätte ich viel mehr Testkilometer auf dem Racebike absolvieren müssen. Vielleicht hätte ich die vorhandenen Fitting-Fehler trotz reduzierter Umfänge gespürt und mir sicherheitshalber ein Bikefitting geleistet. Hätte ich mal machen sollen!


Ein XC Race Mountainbike ist ab Werk so ganz und gar nicht ausgelegt für ein Endurance-Ultracycling-Event. Das sagt dir natürlich keiner, weil 99 von 100 Menschen niemals 600 Kilometer oder mehr am Stück auf einem Cross-Mountainbike fahren werden. Und wenn du meistens auf einem Rennrad oder Gravelracer unterwegs bist, ist ein Mountainbike eine andere Welt. Dass ich das gleiche Rad bei Badlands auch schon gefahren bin, hat mir nicht geholfen. Denn für Badlands hatte ich es umgebaut – auf Dropbar und ohne Aero.