Routenplanung und Navigation beim Ultracycling und Bikepacking

Die Route für das Atlas Mountain Race kam vom Veranstalter in der App "Ride with GPS". Die kannte ich voher gar nicht richtig.
Über die richtige Routenplanung für Bikepacking und Radtouren generell sind schon ganze Bücher geschrieben worden. Jeder hat da seinen eigenen Präferenzen, aber ein paar Gedanken lassen sich durchaus verallgemeinern.
Verlässlichkeit und Laufzeit sind Trumpf - die Wahl der Navigations-Hardware
Bei so einer großen Unternehmung wie dem Atlas Mountain Race möchtest du auf gar keinen Fall mitten im Nichts stehen und die Navigation ist ausgefallen. Auch mit exaktem Routing gibt es zahlreiche missverständliche Stellen, an denen du falsch abbiegen oder die RWegführung aus dem Blick verlieren kannst. Bemerkst du es rechtzeitig, kannst du immerhin korrigieren, wirst aber Zeit verlieren. Bemerkst du es zu spät, kannst du das Rennen vergessen, du wirst die nächsten Checkpoints nicht rechtzeitig erreichen. Ist auch dieses Jahr wieder Teilnehmern passiert.
Im Rennen gibt es auch zahlreiche Stellen, an denen es so gut wie keinen sichtbaren Weg gibt - ohne GPS-Routing bist du schlicht aufgeschmissen. Wenn du in einem Flussbett unterwegs bist oder in weitgehend weglosem Gelände. Weil die GPS-Route durchaus einige Meter Abweichung haben kann, sieht es auch mitunter so aus als wärst du exakt auf dem Weg - und bist dennoch verwirrt, weil weder Spuren zu sehen sind noch die Gegend so aussieht als sei st du auf dem richtigen Weg. Bei Nacht wird die Sache noch sehr viel schwieriger - und die Nächte beim Atlas Mountain Race sind lang (etwa 10 Stunden Dunkelheit), weil das Rennen Anfang Februar mitten im Winter stattfindet.
Auf so einem Rennen ist alles möglich, die Belastungen sind extrem, nicht nur für die Teilenehmerinnen, sondern auch für das Material. Navigation ist eine kritische Funktionaliät. Du solltest nicht nur alle deine Geräte aus dem Effeff beherrschen, sondern auch die benutzte Software. Es ist wie mit jedem anderen Detail der Ausrüstung: Was du nicht in- und auswendig kennst, bis zum Umfallen geübt und ausprobiert hast: Nimm es nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass dich etwas Neues in unvorhersehbare Schwierigkeiten bringt, so lange du nicht alle Vor- und Nachteile schlafwandlerisch berherrschst, ist so hoch, dass ich nur davon abraten kann.
Der neue Edge 1050 ist ein tolles Gerät - aber weniger gut geeignet fürs Ultracycling als der Edge 840 Solar
Beispiel Radcomputer: Selbst wenn ein Hersteller kurz vor so einem Wettbewerb ein nagelneues tolles Gerät auf den Markt bringt: Sofern es nicht möglich ist, den neuen Radcomputer mit allen seinen Stärken und Schwächen im Detail zu erproben - fahr mit deinem alten Gerät! Beispielsweise hatte ich mir im Vorfeld einen nagelneuen Garmin Edge 1050 bestellt: Sein neues verbessertes und sehr scharfes kontrastreiches Display ist den älteren Garmins sichtbar überlegen. Das hellere Display bringt aber einen Nachteil mit sich, der den Edge 1050 blitzartig für mich aus dem Rennen geworfen hat (ich habe ihn umgehend zurückgeschickt): Das bessere und größere Display braucht mehr Strom. Das hat mich überrascht, denn die Unterstellung bei weiterentwickelter Gebrauchselektronik sind stromsparende Bauteile und Fortschritte bei der Laufzeit. Denkste! Das Gegenteil ist der Fall.
Der Edge 1050 läuft deutlich weniger lange als sein leichterer, kompakterer Bruder Edge 840. Als Solar-Variante lädt der Edge 840 im grellen Licht der marokkanischen Wüstensonne außerdem ein bisschen nach - das reicht bei dem winzigen Solarpanel unter dem Display zwar selbst bei einem kompletten Sonnentag nicht aus, um ganz ohne Nachladen über die Distanz zu kommen. Es verlängert die Laufzeit des Edge 840 Solar aber spürbar. Genauso wie bei Powerbanks, akkubetriebenen Lampen oder dem iPhone, messe ich in der Vorbereitung die genauen Laufzeiten und die Zeit fürs Nachladen via Powerbank und Netzteil. Und ich klügele mir exakt aus, welches Geräte-Setup einen optimalen Kompromiss aus Funktionalität und Laufzeit bietet. Bei Nacht kann das ganz anders aussehen als tagsüber. In jedem Fall schalte ich nicht benötigte LEDs und Töne ab. Und da ich bei Nacht auch in der Regel mit Stirnlampe unterwegs bin, kann ich auch auf die Hintergrundbeleuchtung des Displays verzichten, was ebenfalls eine Menge Strom spart. Nur: Für solche Details musst du dein Gerät wirklich gut kennen.
Die unterschiedlichen Profile des Garmin sind übrigens mit der Grund, warum ich vom WAHOO Elemnt Bolt auf Garmin Edge gewechselt bin:
dein Radcomputer ist ausgefallen,
weil die Datenmenge zu groß ist, und das Ding stürzt jetzt einfach nur ab. Verweigert den Dienst. Weil dein iPhone zwar eine Alternative sein könnte beim Navigieren, die Powerbank aber einfach nicht genug Kapa hat, um das iPhone auch häufig genug nachzuladen. Weil ein iPhone nicht das richtige Gerät ist für volle Sonne in Sahara-Nähe und das krasse Gerüttel eines Mountainbike-Kurses. Weil du dachtest, du hättest alle Karten auch offline am Start, stimmt aber gar nicht. Weil du zwar für lebenslange Kartendaten weltweit abezahlt hast - "weltweit" aber sehr relativ wird, wenn du feststellst, dass dein komoot für Marokko gar keine Kartengrundlage anbietet zum Offline-Download. Wenn du zwar extra einen einwöchigen Datenpass für Marokko gekauft hast aber leider kein Netz vor Ort. Wenn der Veranstalter auf ein Planungstool setzt, das du nicht kanntest und auch noch nicht sicher bedienen kannst. Wenn du dich fragst, ob es eine gute Idee ist, in so einem Rennen auf irgendwelche Lösungen zu setzen, die du nicht in- und auswendig kennst und virtuos beherrschst. Überhaupt: Wie teilt man sich 1.300 irre Offroad-Kilometer richtig ein? Welche Durchschnittgeschwindigkeit ist realistisch, wenn klar ist, dass es zahlreiche Gehpassagen geben wird? Wie teilst du dir Etappen richtig ein und bereitest sie für beste Verlässlichkeit im harten Einsatz auf? Und was ist in den langen Nächten: Lasse ich da die Display-Beleuchtung des Radcomputers eingeschaltet - oder schalte ich die ganz aus, um Strom zu sparen und beleuchte mein Navi lieber mit der Stirnlampe, die ich ja sowieso brauche? No kidding: Navigation und die richtige Planung vorab ist ein Kapitel für sich. Die Rennhistorie zeigt etliche Querschläger die (absichtlich oder unbeabsichtigt) so weit von der fixen Route abgewichen sind, dass sie aufgeben mussten.