Foto: Hartmut Ulrich
Fotos: Hartmut Ulrich
Neulich (es ist tatsächlich schon ein paar Jahre her) war ich geschäftlich in Berlin. Und hatte noch ein paar Minuten bis zum Termin. Wenn etwas toll ist an Städten wie Berlin, dann sind das die Cafes, Bars und Restaurants, an denen du vorbeigehst und sponan Lust zum Verweilen bekommst. Weil die Sonne gerade so schön auf den Tischen reflektiert. Weil der Kuchen in der Auslage so einladend..., weil du spürst, hier lebt jemand seinen persönlichen Traum vom eigenen Cafe, das zieht an.
Eigentlich wollte ich aber über das zutrauliche Spatzenweibchen erzählen (Weibchen haben einen graubraunen Kopf, während die Spatzenmännchen ein tiefbraunes Band über Kopf und Rücken haben, siehe die beiden Fotos unten), das einfach durch die Tür in das geschlossene Cafe geflogen kam und sich ohne großes Zögern an meinem Schokokuchen niederließ. Offenbar war die Farbkomposition des Cafes absolut Spatzenweibchenkompatibel, die Farbe des Kuchens auch. Und die bisherigen Erfahrungen des kleinen Vogels mit der Location auch.
Man muss dazu wissen, dass es Spatzen oder auch Sperlinge nicht einfach haben in modernen Städten. Obwohl sie gerne in Menschennähe siedeln, als besonders gesellig gelten und bekannt für ihre Intelligenz, Nahrung auch in engen Räumen zu finden. Trotzdem sind die Spatzenbestände seit den 1990er Jahren in Deutschland erheblich zurückgegangen, teilweise um mehr als die Hälfte. Dieser Rückgang wird auf den Mangel an Nistplätzen und Nahrung zurückgeführt. Man muss einfach nur die versiegelten Flächen in den Städten auf sich wirken lassen, um eine Ahnung davon zu bekommen, warum das so ist. In Städten wie München, Hamburg und Nürnberg sind Spatzen seltener geworden. Der Haussperling steht in Deutschland auf der Vorwarnliste der Roten Liste.
Schon alleine deshalb freue ich mich immer sehr, wenn ich die selten gewordenen kleinen Kerlchen aus der Nähe zu Gesicht bekomme. Und wenn es vor einem geschäftlichen Termin in einer fremden Stadt ist, dann ist so ein kleiner zutraulicher Vogel mitten im geschlossenen Cafe eine Begegnung, die freut und auch irgendwie Mut macht.
Ob Schokokuchen allerdings so gesund ist für Spatzen, kann ich nicht sagen. Aber sie gelten ja nicht nur als erfinderisch, sondern auch als nicht allzu wählerisch.
Warum ich damals in Berlin war, habe ich übrigens längst vergessen. Aber die Begegnung mit dem kleinen Vogel nie.
P.S. Die anderen Spatzenfotos entstanden nicht in dem Berliner Cafe. Sondern u.a. in der Abendsonne auf einem Steg am Starnberger See mit Krümeln vom mitgebrachten Vollkornbrot. Und im Biergarten.
👉 kleine Beiträge wie dieser sind Erinnerungen: an reine Freude, die ich empfunden habe - und häufig auch immer wieder, wenn ich sie sehe. Ein ungewöhnlicher Blick, überraschende Sichtweisen und Entdeckungen, inspirierende Kreativität, ein schöner Gedanke, gelungenes Handwerk, schöne Formulierungen, Dinge mit Seele. Sie sind vollkommen zweck- und absichtsfrei - und trotzdem alles andere als sinnlos: Es tut unendlich gut, sich jeden Tag über etwas zu freuen. Und sei es noch so unbedeutend. Enjoy!