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Dreimal an einem Tag auf den "Riesen der Provence"

Club des Cinglés du Mont Ventoux

Für einen echten Rennrad-Enthusiasten gehört der legendäre Tour-de-France-Berg in der französischen Provence zu den unverzichtbaren Sehnsuchtszielen. Mindestens einmal im Leben solltest du ihn erklommen haben - und im Idealfall dreimal an einem einzigen Tag von allen Seiten, von Bédoin, Malaucéne und Sault. Dann bist du willkommen im "Club der Verrückten", dem Club des Singlés du Mont Ventoux.

Ein Leben ohne Berge ist möglich - aber sinnlos. Ganz gleich, ob am Seil, im Eis, per Pedes oder eben auf dem Rad. Am liebsten alles zusammen. Ausgenommen sind natürlich Müllberge und Berge von Arbeit. Wenn du jedenfalls zwei Wochen mit der Familie am Meer warst, und die höchste Erhebung die "Todesdüne" war, die nur deswegen so heißt, weil es im heißen losen Sand mit Longboard am langen Arm ganz schön anstrengend war, die unfassbaren 20 (!) Höhenmeter zu überwinden. Da ist es nur logisch, dass wenigstens auf der Rückreise ein richtiger Berg sein musste. 


Der Mont Ventoux. Den wollte ich schon immer mal selbst erleben. Ganze Bücher sind geschrieben worden über den "Giganten der Provence", der so exponiert in der wundervollen Landschaft steht, dass er aus der Ferne eher wirkt wie der Kilimanjaro. Obwohl der Ventoux mit 1.909 Metern nur gerade mal so als Voralpenhügel durchginge. Zudem sieht das Ding aus, als wäre es künstlich aufgeschüttet - es gibt keinerlei Felsformationen, sondern nur Schotter. Eine gewaltige schiefe Ebene Schotter. Zweitausend Höhenmeter Schotter. Nicht ohne Grund heißt die Fahrt auf den Ventoux auch "Reise zum Mond". Aber auf dem Rad ist er ein Mythos.

Ich erspare Euch all die Nerd-Geschichten um Eddy Merckx (1967) und Tom Simpson (der bei der Tour 1967 auf dem zweiten Platz liegend am Berg vor Erschöpfung starb und heute ein mit Trinkflaschen und Trikots verziertes Denkmal an der betreffenden Stelle nur etwa einen Kilometer vor der Bergankunft am Gipfel hat), die radlose Jogging-Zielankunft von Chris Froome (2016) oder der legendäre Kampf zwischen Jan Ullrich und Marco Pantani (2000).


Die Strava-Segmente entlang der legendenumwobenen Anstiege am Ventoux zählen je nach Segment zwischen 110.000 und 250.000 Einträge (also Strava-Mitglieder, die sich bereits am Berg versucht haben). Die vorderen Plätze sind allesamt belegt von klingenden Namen der Radprofis aus der World Tour - auch wenn es beinahe wöchentlich irgendwelche Würstchen mit Knacks im Geltungsbewusstsein gibt, die mit dem Motorrad aufzeichnen und dann nach einigen Wochen von den Strava-Admins mit ihren Fake-Bestplatzierungen gelöscht werden, weil die Leistungsdaten einfach nicht richtig sein können.


Und dann gibt es den Club vom Mont Ventoux. Den Club der Spinner: "Le Club des Cinglés du Mont Ventoux". Mitglied kann werden, wer den Ventoux an einem Tag von allen drei Seiten hochklettert, die alle drei auf mehr oder weniger glattem Asphalt bis auf den Gipfel mit dem legendären Funkturm führen, von Bédoin, Malaucéne und Sault. Jeweils rund 1.500 Höhenmeter pro Anstieg, in Summe rund 4.500 Höhenmeter und rund 140 Kilometer. 

Nun, was soll ich sagen: Als passionierter Radsportler löst du durch deine Aktionen ja ohnehin das eine oder andere Mal verständnisloses Kopfschütteln bei deinen Mitmenschen aus. Seit gestern bin ich jedenfalls offizieller Anwärter: Die Karte mit den Stempeln, die du an den Startorten und am Gipfel während deiner Anstiege einholst, muss ich jetzt erst mal per Post an "Le President" schicken - und bekomme dann hoffentlich in so einem Monat meine Ernennungsurkunde und das offizielle Listing auf der Clubseite im Internet (die Urkunde ist natürlich längst da, mein Eintrag in der Ewigen-Bestenliste auch). 


Übrigens bin ich das nicht auf der letzten Rille gefahren: Erstens wollte ich das Abenteuer genießen und während der Anstiege so viele Bilder wie möglich machen. Am Simpson-Monument absteigen. Nicht wie ein Geisteskranker abfahren - und vor allem nichts riskieren. Und last not least: Unter keinen Umständen aufgeben müssen. Zu gewinnen gibt es für mich eh schon lange nichts mehr. Nur Erlebnis. Grandioses, unvergleichliches Erlebnis. Und das ist wertvoller als jeder Pokal. Naja, fast.

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