Fotos: Hartmut Ulrich
Von den Torres del Paine erholen wir uns im Flugzeug auf dem Weg nach Puerto Montt in Chile, von wo aus wir nach Puerto Varas weiter wollen. Auf dem Plan steht das Seengebiet „Siete Lagos“, die sieben Seen, eine bergige Landschaft, die in ihrer Anmutung so sehr an die Westalpen erinnert, dass die auch die „chilenische Schweiz“ heißt. Und tatsächlich gibt es auch eine Menge deutschsprachiger Einwanderer, die in den neunzehnhundertsiebziger Jahren hierher kamen, als Chile gezielt um Zuwanderer warb. Es gibt Schokoladenspezialitäten und Hotels, die „Schweizer Hof“ heißen oder „Weisser Haus“.
Der Unterschied zur echten Schweiz wird allerdings schnell klar: Die Entfernungen sind weitaus größer, und das Straßennetz ist nicht nur dünn, es besteht auch häufig aus abenteuerlichen Schotterpisten. Sowohl Chile wie Argentinien sind schlicht zu dünn besiedelt, um die Kosten für einen Ausbau nach europäischen Maßstäben aufbringen zu können. Wir wechseln mehrfach vom Boot in den Bus und zurück aufs Boot und überqueren schließlich die Anden von Chile nach Argentinien am Paso de Nubes und treffen in Bariloche ein.
Bariloche de los Andes ist ein von deutschsprachigen Einwanderern gegründeter Ort. Schokolade und „Selva Negra“ – Schwarzwälder Kirschtorte (!) sowie eine rustikale Architektur prägen die Stadt und erinnern auch stark an die Schweiz. Weil alle Hostels ausgebucht sind, verbringen wir die Nacht in einem äußerst merkwürdigen „Schweizer Hotel“, das sogar eine Kuckucksuhr im Frühstücksraum hat, mit seinem seltsam verdrucksten Personal aber auf uns ganz so wirkt wie Bates Motel aus „Psycho“. Zum Glück sind wird nur diesen einen Tag da. Wir mieten ein Auto, laden unser Geraffel in den Kofferraum und fahren ins Seengebiet.
Der Monte Tronador mit seinen 3.554 Metern gilt als südlicher Eckpfeiler des Seengebiets. Leider ist das Wetter wieder eher schlecht, und die meisten Campingplätze haben um diese Jahreszeit noch gar nicht geöffnet – obwohl der Sommer längst begonnen hat. Wir wussten das nicht und stehen auf der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz wiederholt vor verschlossenen Zäunen. Am zweiten Tag ändern wir spontan unsere Pläne und fahren weiter nach Norden zum Lago Puelo in der Hoffnung, dass es dort besser ist - das Wetter und die Schlafplätze. Ist es nicht. Auch am Lago Puelo ist alles tot, auch wenn die Anlagen rund um den See eine gute Vorstellung davon vermitteln, was in der Hochsaison hier los sein muss. Offen oder geschlossen nichts für uns, wir ergreifen die Flucht, und unser Roadmovie findet noch einige hundert Kilometer Fortsetzung auf teils geteerten Straßen, überwiegend aber rumpeligen Schotterpisten.
Schließlich erreichen wir den Nationalpark am erloschenen Vulkan Lanin, der mit 3.444 Metern der höchste Berg im Seengebiet ist. Hier ist uns auch das Wetter wieder gnädiger, und nach einer wundervollen Tour mit romantischem Zeltplatz am See unter einer riesigen Araukarie steuern wir am nächsten Morgen wieder in Richtung Bariloche, um das Auto abzugeben. Inzwischen ist der Dezember angebrochen, hier auf der südlichen Erdhalbkugel ist das schon mitten im Sommer - aber wir sind so weit südlich, dass bis zum letzten Tag keine rechte Sommerstimmung aufkommen will. Es ist egal: Dieser Teil der Erde ist rauh und gnadenlos zu seinen Lebewesen - aber unfassbar schön und weit.
Wir fliegen zurück nach Buenos Aires, holen Teile des Gepäcks, das wir dort zurückgelassen haben und machen uns auf den Weg nach Uruguay.