Als wir Anfang Oktober im Karwendel waren, hatte es teilweise wochenlang nicht geregnet. Und wenn, dann viel zu wenig. Vor Ort trafen wir auf trockene Wasserfallwände, begehbare Flussbetten und auf Bergtouristen, die bis heute nicht verstehen wollen, dass sich die Natur mit Geld nicht kaufen lässt.
Fotos: Hartmut Ulrich
"Kann ich eine Dusche buchen?", fragt der Hüttenbesucher.
"Na, leider ned", sagt der Hüttenwirt.
"Gegen Aufpreis?", fragt der Gast.
"Wir haben im Moment viel zu wenig Wasser - und nicht genug Strom". Unten am Eingang hängt ein Schild, das auf den Wassermangel hinweist und darauf, dass Duschen nicht möglich ist. Versuchen kann man‘s ja trotzdem.
Aus den Wasserhähnen im Karwendelhaus kommt nur ein feines Rinnsal. Fürs Zähneputzen und Katzenwäsche reicht's. Für mehr halt nicht. Aber die Klospülungen funktionieren. Und die Trinkwasserstelle vor dem Hütteneingang liefert genug Wasser für alle leeren Trinkflaschen - auch für die, die gar nicht einchecken im Karwendelhaus.
Was der Hüttenwirt nicht sagt: Ihr Gäste kommt's aus dem Tal für ein, zwei Tage mit all Euren Ansprüchen - aber eine Ahnung, was hier oben abgeht, habt's ihr nicht. Die Neue Prager Hütte (2.796 m) am Großvenediger musste ihren Betrieb Ende August vorzeitig wegen Wassermangels einstellen. Dass Duschen am Berg nicht möglich ist, ist wirklich das kleinste Problem.
Das Karwendelhaus bietet Platz für 150 Gäste, und die nur drei Gehstunden entfernte Falkenhütte, die gerade über drei Jahre für 6,3 Mio. Euro umgebaut und modernisiert wurde - hat aus ursprünglich 156 Übernachtungsplätzen 135 gemacht, 20 weniger, um Raum für einen dritten Speisesaal zu schaffen. Wenig ist das auch nicht für eine Berghütte.
Das Niveau der beiden Häuser hat auch nicht mehr viel mit alpinen Schutzhütten zu tun. Viel mehr mit Hotellerie. Wahrscheinlich entsteht genau da das Missverständnis: Je mehr Komfort du bietest, desto stärker ziehst du Gäste mit entsprechenden Ansprüchen an, da ist nichts mehr mit spartanischen Biwakpraktiken. So ein Millionenumbau will refinanziert sein - das Zeitalter der reinen Schutzhütten ist weitgehend vorbei.
"Der Tourist zerstört, indem er findet, was er sucht", hat die Süddeutsche mal geschrieben in einem Artikel über Overtourism, die Stille, die Schönheit, das Ursprüngliche. Das Zitat habe ich nie vergessen. Natürlich gönnst du den Leuten den Besuch in den Alpen. Ist ja ein Geschäft. Und bündelst sie am besten in den ohnehin schon großen Hütten. Besucherlenkung heißt das im Touristikerjargon. Das Karwendelhaus ist so eine Riesenhütte. Mit DAV Umweltsiegel. Und jetzt zickt ausgerechnet das Wasser! Die Natur lässt sich nicht kaufen, auch nicht gegen Aufpreis. Sie spielt das Spiel nicht mit.
Nicht mehr leicht zu vermitteln, dass die Versorgungslage hoch oben am Berg trotz all der Annehmlichkeiten nicht besser geworden ist - sondern immer schlechter. Dass allein schon eine Toilettenspülung Luxus ist am Berg. Aber halt nicht anders zumutbar ist bei Platz für 150 Menschen gleichzeitig.
Schuld am Wassermangel ist - wer hätte es gedacht - der Klimawandel. Wo früher Altschneefelder, Toteisgletscher oder „ewiges Eis“ genügend Wasser für die Quellen und Bäche nahe der Hütten lieferten (eine Berghütte legte man - anders als reine Biwakschachteln - auch schon vor 150 Jahren selbstverständlich nur in der Nähe einer verlässlichen Wasserversorgung an), kommt nun mitunter tage-, wochenlang gar nichts mehr. Da helfen auch die eingebauten Speichertanks für das aufbereitete Wasser nur eine Zeitlang. Zu lange Trockenperioden, zu geringe Niederschlagsmengen. Dann alles auf einmal, mit Hochwasserfluten, Erdrutschen, Murenabgängen.
"Wie machen die das am Berg eigentlich mit den…Toiletten?" fragt mich am Abend einer der Gäste bei uns am Tisch. Er ist ein sehr sympathischer und anregender Gesprächspartner, kommt aus Bremen, ist über zehn Stunden mit dem Auto hergefahren, um mit einem Freund und ohne die Familie (vier Kinder!) für ein paar Tage hier wandern zu gehen.
"Naja, die legen Versetz- bzw- Sickergruben neben der Hütte an, da verrottet das dann in mehreren Stufen. Organisch. Deshalb ist es so wichtig, nichts ins Klo zu werfen, was nicht von selbst zerfällt. In manchen Hütten darfst du nicht mal Klopapier reinwerfen, da stehen Eimer neben der Schüssel. Und in manchen Hütten, wo das alles nicht möglich ist", füge ich hinzu, "fliegen sie Fäkalientanks mit dem Heli raus". Ungläubiges Staunen.
Vielleicht sollten Berghüttenbetreiber bei Wassermangel ihre Gäste direkt zum Nachdenken bringen und mit der Kanne zum Wasserholen schicken für den eigenen Toilettengang, getreu dem Motto: Wos ma ned im Kopf hod, lernt ma mit die Fiaß! Immerhin beansprucht die Klospülung einer Berghütte zusammen mit den Waschräumen etwa 60-70 Prozent des Wasserverbrauchs. Ohne Duschen. Ob's was bewirken würde? Wahrscheinlich blieben dann die Gäste aus. Und das will der Wirt ja schließlich auch nicht. Kann er nicht. Der Wirt steckt genauso in der Falle mit seinem Riesenhaus.
Ob mir ein lustiger Schluss eingefallen ist, ist jetzt eh scho wurscht. Weil ohnehin kaum wer bis hier gelesen haben wird. Facebooks organische Reichweite geht gegen Null. Solche Texte schreibst du für dich. Oder sie erscheinen eh woanders. Oder du kaufst Reichweite. Gegen Aufpreis ist das möglich. Ist ja ein Geschäft.
Und wir haben noch gar nicht über die künstliche Beschneiung von Skipisten geredet. Das geht jetzt dann wieder los. Ist ja ein Geschäft. Ein Riesengeschäft. Für die Grundbeschneiung (30 cm Schneehöhe) von einem Hektar Skipiste (das reicht grade mal für die Fläche vor dem Lift) werden rund 1.000 Kubikmeter Wasser verbraucht, von der nötigen Energie fürs Pumpen und Ausbringen ließen sich ganze Dörfer versorgen. Ich kann gut nachvollziehen, dass der Gast nicht verstehen will, dass er nicht duschen darf. Auch nicht gegen Aufpreis.
Trink ich halt noch ein Weißbier. Auch eine Möglichkeit, Wasser zu sparen.